Sonntag, 18. Januar 2004

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Katzengeschichten

Die Königin und ich ...
von Martina Flasch

Bevor eine Siamkatze in mein Leben trat, hatte ich meinen Alltag eigentlich zufriedenstellend eingerichtet und organisiert. Es waren vor allem diese Kleinigkeiten, die einem im Normalfall kaum bewußt werden: Wenn ich morgens vergaß, die Dosenmilch in den Kühlschrank zu stellen, stand sie abends noch unversehrt am gleichen Platz. Meine Zimmerpflanzen gediehen prächtig. Ich hatte mein Bett für mich allein. Und vor allem: Ich war der Boss im eigenen Haushalt.
Dies alles änderte sich schlagartig, als ein Freund aus seiner Fabrik kam und mir die Hand entgegenstreckte, in der einWinziges, einem Wurm nicht unähnliches Wesen lag. Ein Siamkater, der Platzhirsch der Gegend, hatte mit der fabrikeigenen Katze eine kurze aber heftige Affaire gehabt, die einen Wurf mit fünf Kitten zur Folge hatte. Die Kitten können gerade erst wenige Tage alt gewesen sein, als man die Mutter überfahren auf der Straße fand. Die Arbeiter machten sich sofort auf die Suche nach dem Nest, fanden es auch, aber bis auf dieses eine, das mir jetzt so hartnäckig entgegengehalten wurde, waren alle Kätzchen tot. Ich solle doch versuchen, das Kleine aufzupäppeln.
Nein’ sagen kann ich bei so etwas nicht, also in die nächste Apotheke gerannt, Säuglingsnahrung gekauft und sich von nun an erst einmal der Kittenaufzucht gewidmet. An die folgenden Wochen kann ich mich nur wie durch Nebelschleier erinnern, weiß jetzt aber immerhin genau, daß ich in der Lage bin, mit einem absoluten Minimum an Schlaf auszukommen. Das Kitten, auf den Namen Bagheera getauft, entwickelte sich prächtig. Optisch ähnelte es immer mehr seinem Vater, dem siamesischen Platzhirsch. An seine Mutter erinnerte nur das schwarze Fell. Der Kopf spitzte sich keilförmig zu, die Hinterbeine schienen mir doch sehr lang zu sein, und der grazile Körper war ebenfalls eindeutig Daddys Erbe. Außerdem stellte ich fest, daß meine Bagheera extrem schwatzhaft ist. Ihr Mäulchen stand eigentlich nie still, selbst auf der Katzentoilette redete sie in einem etwas quengeligen Tonfall vor sich hin.
Was ihren Charakter betrifft, so war ich natürlich gespannt, wessen Erbteil sich hier zeigen würde. Ich brauchte nicht lange zu warten: Auch hier hatte sich der Platzhirsch durchgesetzt. Bagheera wußte schon immer genau, was sie will, und auch, wie sie es bekommt. Sie hatte die Unverfrorenheit eines Teppichhändlers, die Kaltblütigkeit eines Stuntman und das Selbstbewußtsein einer Kronprinzessin. In ihrer Flegelphase war ich oftmals kurz vor der Verzweiflung. Ich glaubte, keine Katze zu haben, sondern die Reinkarnation von Dschinghis Khan! Bagheera lernte, den Kühlschrank zu öffnen und sich, ganz nach Laune, daraus zu bedienen. Was ich auch Schweres davorstellte, es wurde zur Seite geschoben.
Bagheera liebte frisches Grün; meine Pflanzen sahen allesamt traurig aus. Dem wenigstens glaubte ich abhelfen zu können: Ich kaufte eine Schale Katzengras und stellte es zur gefälligen Bedienung auf die Fensterbank. Am selben Abend schon bemerkte ich, daß die Schale merkwürdig roch: Bagheera hatte sie als Toilette akzeptiert, wie schön. Meine Pflanzen mußten weiterhin daran glauben.
Daß meine Polstermöbel durch die Bank aussahen wie schlecht getrimmte Pudel, daran hatte ich mich mittlerweile gewöhnt, und das Entsetzen meiner Besucher entlockte mir nur noch ein Lächeln. Bei Besuchern wurde ohnehin genau selektiert: Nicht alle fanden Gnade vor Bagheeras Augen. Wen sie nicht mochte, dem sprang sie auf den Schoß und starrte ihm aus wenigen Zentimetern Entfernung ins Gesicht. Nach einer Weile wurde dabei selbst den stoischsten Gemütern unbehaglich, und sie zogen es vor, zu gehen. Wurde Bagheeras zarter Wink nicht verstanden, so griff sie zu eindringlicheren Methoden. Um ihr knurren hätte sie so mancher Schäferhund beneidet, und wenn alles nichts half, hängte sie sich dem ungeliebten Besucher kratzend ans Hosenbein. Dies wurde dann immer richtig gedeutet, und dem Besuch fiel irgendein  dringender Termin ein.
Ich habe mich damals oft gefragt, warum ich mir das alles bieten lasse. Die Antwort ist aber ganz einfach: Die Liebe und Anhänglichkeit, die Bagheera mir jeden Tag neu zeigt. Ihre Liebesbeweise sind so, wie sie alles tut: Laut, aufdringlich und nicht zu übersehen. Wenn eine Siamkatze jemanden liebt, so läßt sie einen nicht im Zweifel darüber. Und es gibt Momente, in denen sie ganz zart sein kann. Wenn sie in ihrem Sessel liegt und ich auf dem Sofa lese, kann ich spüren, wie sie mich liebevoll ansieht. Dann kommt sie auf meinen Schoß und fängt schnurrend an, ganz vorsichtig zu treteln. Wenn ich sie dann streichle, redet sie ganz leise auf mich ein. Das sind die Momente, in denen ich mit niemandem auf der Welt tauschen möchte. Das sind ebenfalls die Momente, in denen ich weiß, daß ich nie wieder ohne Siamkatze leben möchte.
Bagheera wurde am 1. Oktober 2001 19 Jahre alt. Bis jetzt ist sie fit und bei bester Gesundheit. Ich hoffe, daß mir noch ein paar Jahre mit ihr vergönnt sind, und ich weiß schon heute, daß ein Stück von mir mit ihr sterben wird, wenn sie mich einmal verläßt. Ich weiß aber auch, daß sie eine Nachfolgerin haben wird: Eine Katze die wunderschön sein wird, laut, quengelig, unberechenbar und liebevoll: Eine Siamkatze eben!

Copyright ©  2001 bei Martina Flasch
 

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